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Kunstkritik - was anerkannte Kuratoren/innen über Susanne Hauser schreiben
Susanne Hauser (*1946, lebt in Weesen) zeigt eine eigens für die Ausstellung entwickelte Serie von abstrakten Zeichnungen mit dem Titel Constructive Destruction (2011).
Sie nimmt das Thema der Ausstellung zum Anlass, über Endzeitvisionen und den utopischen Neuanfang nachzudenken.
Eine auf die Moderne verweisende architektonische Formensprache, die etwa Erinnerungen an Oscar Niemeyers Architektur oder den Flugzeugbau wecken, sowie Formfragmente von artifiziell-schriller Farbigkeit, wie sie aus der Kunststoffindustrie geläufig sind, verdichtet die Künstlerin zu apokalyptischen, mentalen Landschaften.
Mit den grossflächigen, dunklen Übermalungen und der Vielteiligkeit der Serie wird das Gefühl einer Endzeitstimmung zusätzlich verstärkt.
Sabine Rusterholz,
Direktorin Kunsthaus Glarus
Publikationen
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Abstraktionen - Melanie Ohnemus, Direktorin Kunsthaus Glarus
Im vielseitigen künstlerischen Werk von Susanne Hauser nimmt die Abstraktion in den letzten Jahren einen besonderen Stellenwert ein. Wie schon in ihrer prominenten Serie der Planets, sind abstrakte, imaginative Welten zeichnerisch in ein kreisrundes Feld gefasst. Der spezifische Ausdruck dieser Werke entsteht durch einen fein, und überaus virtuos eingesetzten Strich, der bewusst eingesetzte Bewegungen macht, die zudem von einem bestimmten Einsatz von Farbe unterstützt sind. Es entsteht ein ganz eigener, zeichnerischer Rhythmus. Es werden hier abstrakte Welten formiert, die an uns umgebende Formen aus der Natur, aus dem Universum erinnern, aber dennoch ganz eindeutig Kunst sind.
Die neueren Werke, die in der vorliegenden Publikation zu sehen sind, schließen in gewisser Weise an die Serie der Planets an. Sie sind aber nicht mehr Zeichnungen, sondern Collagen aus Papier. Durch verschiedene Umstände, insbesondere da das Zeichnen als Tätigkeit zunehmend schwerfiel, schwenkte Susanne Hauser auf das Medium der Collage um. Denn obwohl es zunehmend körperlich schwerer wurde, mit den bisherigen Mitteln zu arbeiten, wollte sie die Kunst nicht aufgeben. Hier war es von Vorteil, dass es Susanne Hauser in ihrer gesamten künstlerischen Laufbahn schon immer wichtig war, ein kontinuierliches, offenes Experimentieren beim Arbeiten zuzulassen. Das bedeutet, sich in einer täglichen Praxis mit vorgenommenen Themen und Formen künstlerisch zu beschäftigen und eine eigene Formensprache zu erarbeiten und zu kultivieren. Für die Collagen wurden kleine Zeichenbücher und andere Skizzen aus den Arbeitsprozessen dieser Zeit mit der Schere zerschnitten und aus den daraus entstehenden Formen neue abstrakte Werke erarbeitet. Die gezeichneten Vorlagen, die den einzelnen Teilen zugrunde liegen, enthalten somit die zeichnerische Formensprache der Planets und vorherigem künstlerischen Skizzieren und Schaffen. Man könnte diese Vorgehensweise als eine dem Zeichnen Ähnliche ansehen, jedoch ist sie vom Ablauf und der Planung einer Komposition zu ihr sehr unterschieden. Es treten in der Collage verstärkt die Regeln der Abgrenzung und Komposition von Formen und Farben in den Vordergrund. Der Ablauf ist überlegter, wandelbarer und daher auch komponierter. Doch wieder – sicher auch unterstrichen durch die wiederholte Verwendung der Kreisform – entsteht der Eindruck von einer Welt, die in Verbindung zu stehen scheint mit dem, was wir in der Natur – der uns umgebenden Realität – in unterschiedlichsten Formen wahrnehmen können. Wie steht es also um die Verbindung von Abstraktion in der Kunst und der Wahrnehmung der Welt?
Wenn Abstrakte Kunst mit der Realität zu tun hat, warum bilden die Künstler sie nicht ab, wie wir sie wahrnehmen? Über welche Realität sprechen wir überhaupt? Zumeist ist hier eine Abbildung der Welt gemeint, die wir auf bestimmte Weise gewohnt sind, und welche von einer Mehrheit als real anerkannt wird. Formen und Räume ordnen sich zu einer Komposition, die bestimmte Elemente der Realität extrahiert. Mit der Genese einer technisch und wissenschaftlich weiterentwickelten Welt gerieten jedoch auch diese normativen Abbildungen der Realität der Welt immer wieder ins Wanken. Zum Beginn der Abstrakten Malerei vor gut hundert Jahren bildet sich auch in der Kunst vermehrt die zunehmende Veränderung der Alltagsrealität ab. Hierdurch wurde auch der Bereich der Spiritualität mit der Frage herausgefordert, wie man diese Entwicklungen bändigen und anpassen kann. In der Theosophie des 20. Jahrhunderts wurde das die Evolution der Seele genannt. Die Menschen glaubten, Spiritualität könnte zur Erscheinung gebracht werden, wie Elektrizität, oder Strahlung. Daraus folgte der Versuch, eine solche Enthüllung auch durch abstrakte Kunst zu vollziehen. Anstatt die Natur als unbegreifliches und übermächtiges Ding in Opposition zu den Menschen wahrzunehmen, kam die Idee auf, die Natur selbst als in uns ansässig zu betrachten. Maler wie Wassily Kandinsky sagten, sie kreierten Abstrakte Kunst aus innerer Notwendigkeit und Bedürfnis. Die Kunst müsse die Natur nicht abbilden, sie würde bereits alle Aspekte der Natur beinhalten. Die künstlerische Sensitivität und Gefühle seien voll von den Impressionen der Natur. Sie können auf den Bildträger in komplett abstrakter Art übertragen werden. Dies wurde als gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit bezeichnet und entsprach dem Zeitgeist einer durch rapide Neuentwicklungen geprägten Welt, in der es galt, die Aufmerksamkeit und Flexibilität gleichermaßen mit den Entwicklungen zu erhöhen. Wie in jedem Umbruch galt es, sich seines Geistes und seiner Erwartungen auf solche Weise bewusst zu werden, um möglichst mithalten, oder gar das Neue mitgestalten zu können.
Die Herangehensweisen der Kunst sind jedoch auch in der Abstrakten Kunst visuell sehr unterschiedlich ausgefallen. Das ist allerdings kein Widerspruch, denn Abstraktion in der Kunst ist nicht einfach die Abbildung von Formen, die wir in der Natur wahrnehmen, wie wenn wir eine Struktur einer Felswand studieren, oder den Sternenhimmel betrachten. Sie ist eine Frage der Komposition, der Regeln, die man sich selbst stellt in Bezug zu einem Möglichkeitsraum. Es geht eher darum, die Natur zu transzendieren. Dies geschieht mit den Mitteln der Malerei, die mit Linien, Formen und Farbe arbeitet, und durch die Erfahrung der Erarbeitung die jeweils eigenen Regeln findet, die für die Absicht funktionieren. Das ist aber auch eher eine visuelle Angelegenheit, nicht eine spirituelle. Daher lässt sich sagen, dass Abstrakte Kunst, vorausgesetzt sie beschäftigt sich mit einem kunstimmanenten Regelwerk, näher an der Welt als Gesamtes ist, als an etwas rein Spirituellem. Kunst ist deswegen von großer Bedeutung, weil sie nicht begrifflich vorgeht, sondern ein latent «magischer» und fundamental mimetischer Vorgang ist.
Piet Mondrian eröffnete 1917 seinen Essay «The New Plastic in Painting» mit der Feststellung, dass «das Leben mehr und mehr abstrakt wird», aber er legte Wert darauf, dass seine Kunst «zwischen Abstraktion zwischen dem Absolut-Abstrakten und dem Natürlichen oder Konkret-realen steht. Sie ist nicht so abstrakt wie abstraktes Denken und nicht so real wie greifbare Realität. Sie ist ästhetisch lebende, plastische Repräsentation: der visuelle Ausdruck, in dem Gegensätze ineinander überführt werden. Das abstrakte Bild bildet also eine Einheit, die aus verschiedenen Elementen, wie in einer Komposition, besteht. Jede Abstrakte Kunst bildet daher ihren eigenen Rhythmus dadurch, wie die Regeln der Komposition angelegt sind.
Eine grundlegende Frage, die oft an Abstrakte Kunst gestellt wird, ist, wie man sie anzuschauen hätte, wie ihr zu begegnen sei. Manche empfinden den Zugang als leicht, manche als schwer. In dieser Frage verbirgt sich, selbst wenn man den Zugang zu ihr als leicht empfindet, dass man sich nie sicher kann sein, ob man sie versteht. Im Umkehrschluss wird sie fälschlicherweise ebenso als autoritär und abgehoben eingeordnet. Da wir einen bereits langen Umgang mit der Natur oder der Welt haben, aber nur einen etwa hundert Jahre dauernden Umgang mit Abstrakter Kunst, erklärt sich von selbst, wie diese Frage aufkommt. Aus diesem Zusammenhang lässt sich aber ebenfalls ableiten, dass Abstrakte Kunst nach wie vor nicht zu Ende ist, denn wenn wir unseren Imaginationen folgen, wie Susanne Hauser es macht, lassen sich interessante Fragen über das Verhältnis von Wahrnehmung, Imagination und die Komposition von Strukturen der Welt erörtern. Gemeinsam oder für sich alleine.
Als Susanne Hauser als Kind an Kinderlähmung erkrankte, und auf der Seuchenstation des Glarner Kantonsspitals abgesondert stundenlang aus dem Fenster schaute, die Strukturen der draußen sichtbaren Felswände studierte, wurde der Grundstein bei ihr dafür gelegt.
Melanie Ohnemus, Direktorin Kunsthaus Glarus
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Kunstschaffen Ausserordentlich - New Glarus - Judith Welter: Direktorin Kunsthaus Glarus
Susanne Hauser zeigt in ihren Zeichnungen Überlagerungen verschiedener Spuren und Wegen. Hauser versteht ihre Linien und Ströme als wortwörtliche Abbilder aktueller gesellschaftlicher Strömungen. die hier gezeigte Gruppe von feinen Zeichnungen, die an Land- oder Wasserkarten erinnern steht mit ihrer seit 2013 entstandenen Werkgruppe "Oceans" in Verbindung. Die Bilder beziehen sich auf die Vielfalt der Formen von Lebewesen im Ozean. Das Meer ist aber auch Ort der Geschichte, die mit der Familiengeschichte der Künstlerin zusammenhängt. Ihre Vorfahren verliessen das glarnerische Heimatland, um sich in Pittsburgh niederzulassen.
Judith Welter, Direktorin Kunsthaus Glarus
Die Ausstellung im Kunsthaus Glarus dauert vom 6.12.2015 bis 24.01.2016
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Dialogues with Time and Infinity - Judith Annaheim: PartnerIn Baumgartner & Annaheim, Gestaltung Kunstbücher und Kuratierung Ausstellungen in Museen, Zürich, www.ba-gestaltung.ch
Die in diesem Buch abgebildeten Werke sind in den letzten sieben Jahren entstanden, einer Phase intensivster Arbeit an den Themen, die sich durch Susanne Hausers Leben hindurchziehen. Die ausschliesslich zeichnerischen Arbeiten prägt eine charakteristische Ausdrucksweise mit einem beeindruckenden Repertoire des Strichs. Dabei hat sich der Kreis als attraktive und bedeutungsvolle Gestaltungsfläche erwiesen. In den Planeten-Bildern erstmals verwendet, wurde der Kreis zu einem Format für die Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Themen. Susanne Hausers Werke sind innere Bilder, die intuitiv aus der Beschäftigung mit einem Thema entstehen. Demgegenüber steht hinter der Ausführung eine strenge und konzentrierte Arbeitshaltung.
Ganze Kritik lesen (pdf)
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Ausstellungsraum Museum Bickel
Zeit-Zeichen - Judith Annaheim und Guido Baumgartner, Kuratoren museumbickel, 2015
Die in Weesen lebende Susanne Hauser konzentriert sich in ihrer Arbeit seit 2009 auf das
Zeichnen und hat dabei eine eigene Handschrift mit definierten formalen Bedingungen entwickelt.
Einen zentralen Platz nimmt eine Serie von 53 grossformatigen Blättern ein, die sie unter
dem Titel «Planets... we are not alone» an der Dublin Biennial 2012 präsentierte. In den
Kreisflächen, die für Versionen von Planeten stehen, erforscht Susanne Hauser die
unerschöpfliche Vielfalt von Strukturen, die durch Dichte und Richtung der Striche entstehen.
Viele Ihrer Arbeiten sind inspiriert von der Auseinandersetzung mit aktuellen
gesellschaftlichen Themen, oder aber von der Beschäftigung mit Märchen und Mythen. Die Ausstellung schafft eine intensive Konstellation von zeichnerischen Welten, Visionen und Zeichen.
Judith Annaheim und Guido Baumgartner, Kuratoren museumbickel
Die Ausstellung dauerte vom 27.9. bis 29.11.2015
Märchen, Mythen 2014, Tusche und Kohle auf Papier, 40 x 36cm
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«Grosse Regionale» Kunst(Zeug)Haus, Rapperswil - Peter Stohler, Direktor Kunst (Zeug)Haus, Rapperswil und Lorenz Hubacher, Ko-Kurator von «Grosse Regionale» 2014/15
«Das Kunst(Zeug)haus bietet mit der «Grossen Regionalen» 33 Kunstschaffenden aus den Kantonen St. Gallen, Glarus, Schwyz und Zürich eine attraktive Plattform. Ausgewählt wurden sie von einer fünfköpfigen Jury aus 275 Bewerbungen.»
«Susanne Hauser konzentriert sich seit 2009 auf die Zeichnung. Seit 1993 konnte die Glarnerin ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland zeigen. 2015 widmet ihr das Museum Bickel in Walenstadt eine Einzelausstellung. In ihren Arbeiten stehen stets sozio-kulturelle Aspekte im Zentrum. So auch in den gezeigten Werken aus dem Zyklus «Silk», der sich mit der längst verschwundenen Glarner Textilindustrie auseinandersetzt.»
Peter Stohler, Direktor Kunst (Zeug)Haus, Rapperswil und Lorenz Hubacher, Ko-Kurator von «Grosse Regionale» 2014/15
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Dublin Biennial 2012 - Maggie Magee, Director, Dublin Biennial, 2012
«Susanne Hauser is interested in positioning her work between science and fiction. The in-between is mythology, a connection link between knowledge and Intuition.
Astrophysics goes deeper and deeper into space and finds, with support of Kepler telescope, new planets.
A big variety is already found and many oft them are new discoveries. There is no end of new knowledge in view. Hausers work «Planets... we are not alone» refiects fears of human beings.
Our existence seems to be small and modest. In the focus there is no creation of inexhaustible and incomprehensible perceptions. We rapidly reach the limitis of non-knowledge. We have to convince that non-knowledge is an important parameter of our existence and of that what we believe to understand. On this cutting point knowledge is changed to which we believe.»
Maggie Magee, Director, Dublin Biennial 2012, Exhibition Catalogue
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(RE)CONSTRUCTED Kunsthaus Glarus - Sabine Rusterholz, Direktorin Kunsthaus Glarus, 2011
(RE)CONSTRUCTED
SARAH BURGER, Marina Hauser, Susanne Hauser,
Nicole Hoesli, Siro A. Micheroli, Sweeterland
JANET CARDIFF & GEORGE BURES MILLER, CHRISTOPH DRAEGER, CYPRIEN GAILLARD,
SOFIA HULTÉN, LOREDANA SPERINI, WIEDEMANN/METTLER
KUNSTSCHAFFEN: AUSSERORDENTLICH!
IM KONTEXT VON GLARUS BRENNT 150 Jahre nach dem Brand von Glarus
Katastrophenbilder sind heute allgegenwärtige Motive der medialen
Berichterstattung. Bei ihrer Betrachtung liegen Schrecken, Faszination und
Ignoranz meist nahe beieinander. Das Danach erlangt dagegen meist wenig
Aufmerksamkeit in der medialen Agenda. Die Gruppenausstellung
(RE)CONSTRUCTED vereint regionale, schweizerische und internationale
Positionen vor dem Hintergrund des Themenkomplexes von Konstruktion,
Destruktion und Rekonstruktion. Die Ausstellung zeigt sowohl poetische als
auch kritische Statements zum Moment des zivilisatorischen Nullpunktes, des
gesellschaftlichen und kulturellen Wiederaufbaus und seiner
fiktiv-utopischen Potenziale. Das Ausstellungsthema nimmt Bezug auf die von
Mai bis September stattfindenden Gedenkaktivitäten zum 150-jährigen Jubiläum
des Brandes von Glarus von 1861. Diese Feuersbrunst zerstörte fast die ganze
Stadt. Für ihren Wiederaufbau wurde ein damals äusserst fortschrittliches
Stadtplanungskonzept nach dem Vorbild von modernen Industriestädten
realisiert. Mit der gegenwärtigen Umweltkatastrophe in Japan erhalten einige
der Arbeiten jedoch auch eine besondere Aktualität.
Zerstörung und Wiederaufbau sind Themen mit langer Tradition sowohl in der
Menschheits- als auch der Kunstgeschichte. Verwüstungen durch Kriege,
soziale und politische Unruhen, Macht- und Modernisierungsbestrebungen aber
auch Naturkatastrophen boten immer wieder Nährboden für utopische und
dystopische Visionen, die auch in der Kunst ihren Niederschlag fanden.
Historienbilder etwa dienten im 18. und 19. Jahrhundert nicht der
realistischen, dokumentarischen Darstellung eines Geschehens, sondern seiner
absichtsvollen Überhöhung und Verklärung, insbesondere von menschlichen
Leistungen am Rande des zivilisatorischen Abgrundes. Auch die fiktiven
Aufbereitungen von Katastrophenszenarien im Film bedienen sich einer
gesteigerten Ikonographie des Schreckens, die mehr auf „What if“-Szenarien
abzielen und apokalyptische Untergangsszenarien probeweise simulieren.
Dieser Moment des Nullpunktes birgt letztlich aber auch immer die utopische
Möglichkeit eines alternativen Aufbaus, in dem alles anders sein könnte.
Die Auswahl der regionalen Kunstschaffenden stammt aus einem jurierten
Projektwettbewerb mit thematischer Vorgabe, aus dem eine Fachjury bestehend
aus Katharina Ammann (Konservatorin Bündner Kunstmuseum), Nadja Baldini
(Kunsthistorikerin, freie Kuratorin) und Boris Magrini (Kunsthistoriker,
freier Kurator) sechs Projekte von Kunstschaffenden aus der Region
ausgewählt hat. Gezeigt werden Werke von Sarah Burger, Marina Hauser,
Susanne Hauser, Nicole Hoesli, Siro A. Micheroli und Sweeterland. Daneben
wurden mit Christoph Draeger, Loredana Sperini und Wiedemann/Mettler weitere
schweizerische und mit JANET CARDIFF & GEORGE BURES MILLER, Sofia Hultén und
Cyprien Gaillard auch internationale Positionen eingeladen, die sich mit
demselben Themenkomplex beschäftigen. Nach der erstmaligen „Kunstschaffen:
Ausserordentlich!“-Ausstellung 2007, findet die Ausstellung der regionalen
Kunstschaffenden in diesem Jahr also erneut unter anderen Vorzeichen statt.
Susanne Hauser (*1946, lebt in Weesen) zeigt eine eigens für die Ausstellung
entwickelte Serie von abstrakten Zeichnungen mit dem Titel Constructive
Destruction (2011). Sie nimmt das Thema der Ausstellung zum Anlass, über
Endzeitvisionen und den utopischen Neuanfang nachzudenken. Eine auf die
Moderne verweisende architektonische Formensprache, die etwa Erinnerungen an
Oscar Niemeyers Architektur oder den Flugzeugbau wecken, sowie Formfragmente
von artifiziell-schriller Farbigkeit, wie sie aus der Kunststoffindustrie
geläufig sind, verdichtet die Künstlerin zu apokalyptischen, mentalen
Landschaften. Mit den grossflächigen, dunklen Übermalungen und der
Vielteiligkeit der Serie wird das Gefühl einer Endzeitstimmung zusätzlich
verstärkt.
Sabine Rusterholz, Direktorin Kunsthaus Glarus |
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Fokus Kunsthaus Glarus - Nadia Schneider, 2005
Susanne Hauser (*1946 in Oberurnen, lebt in Thalwil) ist die letztjährige Preisträgerin des Fokus-Ausstellungspreises des Glarner Kunstvereins. Sie überzeugte die Jury mit zwei Bildern aus einer Serie von Werken, mit der sie innerhalb ihrer Arbeit einen ganz neuen Weg eingeschlagen hat. Im Kunsthaus Glarus zeigt sie nun grossformatige Gemälde, die alle in den letzten Monaten entstanden sind.
Susanne Hauser beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Medium der Malerei. Stetig auf der Suche nach ihrer eigenen Sprache, nach der adäquaten Ausdrucksform, arbeitete sie ursprünglich im Bereich der figurativen Malerei, wandte sich jedoch zugunsten von Farb- und Formexperimenten mehrere Jahre davon ab, um in jüngster Zeit – gestärkt von ihren Recherchen im Bereich der abstrakten Malerei – wieder zur gegenständlichen Darstellung zurückzukehren.
Ende der 1990er Jahre entstand eine Werkserie mit dem Titel „Netzwerke“, in der die Künstlerin auf Gitter- oder Netzstrukturen, auf Muster und Gewebe Bezug nahm, welche an industrielle und technische Strukturen erinnerten. Nicht zuletzt waren auch die Produkte der Glarner Textilindustrie, und somit die Geschichte und Tradition ihres Heimatkantons, Inspirationsquelle für diese Arbeiten. Die teils reliefartigen Oberflächenstrukturen dieser Bilder, entstanden nicht nur durch Auftragen von Farbe mit Pinsel, sondern auch durch Verwendung von seriellen Techniken (Abrollverfahren) und Integrieren von dreidimensionalen Elementen auf dem Bildträger.
Eine weitere Werkserie aus den Jahren 2002/03 ging weiterhin von seriellen Strukturen aus, löste sich aber bereits von den eher geometrischen Mustern der „Netzwerke“ und öffnete sich zu freieren, ornamentalen Motiven hin. Die Künstlerin arbeitete erneut mit dem Pinsel, trug die Farbe flach auf die Leinwand auf und spielte mit dem Spannungsverhältnis zwischen matten und glänzenden Flächen. Die Bilder, deren sinnliche Oberfläche zum Berühren der Malschicht verleitete, entstanden aus dem geduldigen Auf- und Abtragen von Farbschichten. Bei jeder neuen zu bearbeitenden Leinwand ging die Künstlerin von der Vorstellung gewisser Grundformen aus, die sie im Verlauf ihrer Arbeit aus den entstandenen tieferliegenden Malschichten herausschälte. Obwohl die Künstlerin also in klassischer Manier mit dem Pinsel Ölfarben auf Leinwand auftrug, entstanden die einzelnen Formen und somit auch die Gesamtkomposition vorwiegend aus dem Prozess des Entfernens von Farbe.
Diese Technik des kontinuierlichen Auf- und Abtragens von Farbschichten wendet die Künstlerin, welche wieder zur gegenständlichen Darstellung zurückgefunden hat, nun auch für ihre figurativen Werke an. Somit entstehen Susanne Hausers gegenständliche Motive eigentlich aus der Abstraktion: Sie trägt ihre Formen und Inhalte nicht nur auf die Leinwand auf, sondern löst sie auch aus den unzähligen übereinanderliegenden Malschichten heraus. Werden die älteren Schichten einmal von jüngeren, deckenden Schichten überlagert, muss sich die Künstlerin allerdings ganz auf ihre Erinnerungen an die darunter liegenden Schichten und ihr inneres Auge verlassen. Sie spielt dabei bewusst mit dem Vergessen und Erinnern des Untergründigen, lässt sich von den frisch aufgedeckten Schichten überraschen und muss sich je nach Ergebnis formal neu orientieren.
Erinnern und Vergessen scheinen auch inhaltlich ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit zu sein. So zeigen ihre aktuellen Arbeiten oft leere Innenräume, welche wie Bühnen wirken, auf denen die bedeutende Handlung schon stattgefunden hat. Susanne Hauser wählt irritierende Bildausschnitte – einen Ausschnitt einer Decke oder eine Raumecke – welche uns die architektonische Gesamtkonstruktion eines Raumes bewusst vorenthält. Einige ihrer Bilder zeigen den Raum auf solch elementare Art, dass sie sogar um 180 Grad gewendet noch als Raumdarstellung funktionieren (das eine Mal als Blick auf den Boden, das andere Mal als Blick hinauf zur Decke). Menschen erscheinen auf ihren Bildern nur wenige. Meist sind sie silhouettenartig, flächig und ohne Details gemalt. Was zählt ist ihre Positionierung innerhalb der Komposition, ihre Postur und ihre Haltung. Sie beginnen eine Geschichte zu erzählen – eine Geschichte, die fragmentarisch und enigmatisch bleibt, eine Geschichte ohne Schluss, die uns Betrachtern viel Raum lässt, diese weiterzuspinnen.
Die Einfachheit, Reduktion und Fragilität von Susanne Hausers Motiven, die sich beinahe wieder in pure Farbe aufzulösen scheinen, haben oft etwas melancholisches, nostalgisches an sich. Sie erinnern an Traumbilder, von denen man morgens beim Aufwachen noch weiss, dass es starke, wichtige Bilder waren, an die man sich jedoch nur bruchstückhaft erinnert und die schon von neuen Schichten unseres Bewusstseins überlagert wurden. |
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Zu den neusten Arbeiten von Susanne Hauser - Nadia Schneider, 2003
Was die Bilder von Susanne Hauser so verführerisch macht, ist - so könnte man auf den ersten Blick meinen - die Wirkung ihrer Oberfläche. Beim Betrachten dieser Bilder verspürt man nämlich gleich die Lust die Bilder zu berühren, mit dem Finger über die glänzenden Flächen zu fahren, die unterschiedliche Textur von matten und glänzenden Flächen zu ertasten. Der von der Oberfläche ausgehende Reiz scheint nach einer anderen Art der sinnlichen Wahrnehmung als der des Blickes zu verlangen. Handelte es sich um Susanne Hausers Bildserie der Netzwerke, würde man diesen Impuls einfach zu begründen wissen; denn die Bilder aus dieser etwas älteren Serie basieren auf reliefartig aufgetragenen Gitter- und Netzstrukturen. Was aber ist es, das den Betrachter, die Betrachterin fast physisch an die glatte Oberfläche dieser neuesten Arbeiten heranzieht?
Die Formen auf Susanne Hausers Bildern entstehen aus dem Arbeitsprozess, das heisst aus dem geduldigen Auftragen- und Abtragen von Farbschichten. Bei jeder neuen, zu bearbeitenden Leinwand geht die Künstlerin von der Vorstellung gewisser Grundformen aus, die sie im Verlauf ihrer Arbeit aus den entstandenen, tieferliegenden Schichten herausschält. Obwohl die Künstlerin also in klassischer Manier, mit dem Pinsel Ölfarben auf Leinwand aufträgt, entstehen die Formen, entsteht die Komposition und somit schlussendlich auch das Bild vor allem aus dem Prozess des Entfernens von Farbe. Die Künstlerin filtert die Formen aus den übereinanderliegenden Schichten, löst sie aus dem Untergrund heraus. Dieser Arbeitsprozess ist nicht nur mit langen Wartezeiten und somit viel Geduld verbunden, da die Schichten, bevor sie weiterbearbeitet oder übermalt werden, ganz trocken sein müssen. Dieses Auftragen und wieder Abtragen grenzt an eine Sisyphus-Arbeit, die manchmal - wie jede künstlerische Arbeit - auch mit dem Misslingen eines Bildes verbunden ist. Es kommt vor, dass die Künstlerin nämlich zuviel Farbe abträgt oder eine Form an der "falschen" Stelle herausputzt, so dass sie mit den Schichtungen von Vorne beginnen muss. Dieses Misslingen zeigt aber, welche Präzision im Bildaufbau hinter den vordergründig so einfachen Bildern steckt.
Obwohl die Künstlerin von einer bestimmten Idee einer Grundform ausgeht, die ihr Bild strukturieren soll, "kommt es immer anders als man denkt" (Susanne Hauser). Sie sagt, ihre Arbeit entstehe aus einer Kombination von Spontaneität und Ordnung, denn trotz ihrer klaren Vorstellung vom nächsten Arbeitsschritt, ist die Entwicklung der Bildstruktur nicht immer vorhersehbar. Werden die älteren Schichten einmal von neueren, deckenden Schichten überlagert, muss sich die Künstlerin nämlich ganz auf ihr Erinnerungsvermögen und ihr inneres Auge verlassen. Sie spielt bewusst mit dem Vergessen und Erinnern des Untergründigen, lässt sich überraschen und muss sich je nach Ergebnis formal neu orientieren.
Erinnerungen spielen aber nicht nur im praktischen Arbeitsprozess eine Rolle, sondern auch auf der motivisch-assoziativen Ebene. Während des Malens gehen der Künstlerin Geschichten durch den Kopf oder sie erinnert sich an Bücher, die sie gelesen hat, an Reisen und Architekturen, an Begegnungen und Ereignisse aus ihrem Leben. Sie setzt diese Erinnerungsfragmente jedoch nicht illustrativ in ihren Bildern um, sondern schafft Formen, die im Bereich des Abstrakten, Ornamentalen beheimatet sind, jedoch in jedem Betrachter, in jeder Betrachterin Assoziationen an Dinge unserer Lebenswirklichkeit wecken. Susanne Hauser überlässt es uns, diese Verknüpfungen von abstrakten Formen und reellen Dingen zu vollziehen oder auch nicht. Mir scheinen jedoch weniger diese assoziativen Spielereien reizvoll als die Tatsache, dass die Künstlerin die Elemente ihrer Bildkompositionen nicht einfach auf die Leinwand aufträgt, sondern sie aus der Tiefe der Farbablagerungen heraufholt, was die unglaubliche Plastizität der Formen erklärt. Denn auch die Schichten sind Erinnerungen; indem man einen Teil von ihnen zu einem späteren Zeitpunkt wieder an die Oberfläche holt, legt man einen Teil der Vergangenheit des Bildes frei.
Ich habe die Künstlerin bei meinem letzten Atelierbesuch gefragt, wie viele von diesen unzähligen Schichten, auf dem fertigen Bild denn noch sichtbar seien. Für sie seinen alle noch präsent, meinte sie, wenn auch für den Betrachter die meisten nicht mehr sichtbar seien. Vielleicht ist dies die Antwort auf meine eingangs gestellte Frage: Vielleicht sind die Oberflächen von Susanne Hausers Bilder deshalb so verführerisch und anziehend, weil sie eben nicht nur Oberfläche sind, sondern eigentlich eine Kondensation von zeitlichen Ablagerungen oder anders gesagt, weil die Tiefe an der Oberfläche zwar nicht sichtbar, aber dennoch spürbar ist. |
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